Interview zur Paar- und Trennungsberatung in der Praxis von Daniela Geiger, München
Sie bieten „Paar- und Trennungsberatung“ an. Warum benennen Sie beides?
DG: Zu Beginn einer Paarberatung oder Paartherapie ist es gar nicht immer sicher, ob das Paar überhaupt noch zusammen bleiben möchte. So hörte ich bei der Erstanfrage immer wieder Bedenken, „ob so eine Einstellung überhaupt für eine Paarberatung reicht“.Durch die Doppel-Benennung möchte ich zum einen darstellen, dass bei mir die Beratung in beide Richtungen möglich ist und betonen, dass die Beratung ergebnisoffen geführt wird. Gefühle zueinander (wieder) zu finden, (wieder) Ja zueinander zu sagen – das ist sowieso nur in freier Entscheidung möglich. Vorab solch ein Ergebnis zu bestimmen, lässt keinen ehrlichen, authentischen Prozess und somit keine tragfähige Antwort zu. Niemand lässt sich gerne irgendwohin therapieren.Es kommt aber auch darauf an, in welcher Phase ein Paar zu mir kommt.
Welchen Unterschied macht das?
DG: Es gibt viele Paare, die weiterhin die Möglichkeiten miteinander suchen - etwa zur Begleitung von belastenden Zeiten bzw. Veränderungen oder auch zur Bereicherung resp. Vertiefung der an sich funktionierenden Partnerschaft. Das ist auch unabhängig vom Alter.Einige Paare kommen dann, wenn sie sich schon klar sind, dass sie ihre Beziehung nicht weiter fortsetzen wollen. Diese suchen einen guten Weg auseinander zu gehen. Immer mehr Paare wollen vermeiden, die noch offenen Themen auf dem Rücken der Kinder oder der Finanzen abzuarbeiten. Sie wollen sich und all das schützen. Beides ist wertvoll und lohnt sich.Und manche Paare sind noch in der Entscheidungsfindung, würden gerne bleiben oder auch gehen. Wissen nicht was „richtig“ ist, sehen vor allem nicht mehr, „ob oder wie es möglich wäre“. Das ist oft so nach großen Eskalationen,z.B. nach Betrug, aber nicht nur. Die Liebe ging verloren, und es ist nicht klar, ob sie wieder gefunden werden kann oder auch wieder gefunden werden will.
Was macht es Ihrer Erfahrung nach möglich, dass Paare (wieder) zueinander finden?
DG: Meiner Erfahrung nach: dass die Partner einander noch suchen. Das ist nicht „herstellbar“, das ist so oder nicht. Es ist vergleichbar mit dem Wunsch, es (wieder) miteinander „hinzubekommen“, geht aber viel tiefer. Denn selbst ohne das Wissen, wie es gehen könnte: ohne diese Suche nach dem Anderen wird es nicht möglich.Innerhalb dessen: die Offenheit, Neues zu erleben, zuzulassen, dass sich der andere ändert und dies zu anerkennen. Generell natürlich, bei sich selber zu suchen und nicht beim anderen.Und nach Verletzungen, Betrug etc. weise ich auch immer darauf hin, dass Verzeihen ein Prozess ist und nicht immer möglich. Auch hier vereitelt die Erwartung - vom anderen oder auch von mir selbst - die eventuelle Möglichkeit.
Was ist bei einer Trennungsberatung wichtig?
DG: Meist ist auch die Wertschätzung füreinander verloren gegangen. Diese spielt in allen Phasen von Beziehung eine zentrale Rolle, da sie den Boden für ein konstruktives Miteinander bietet. Trennung ist auch eine Phase der Beziehung; Wertschätzung stellt aber gerade dann eine große Herausforderung dar. Mein Ansinnen ist es, destruktive Beziehungsmuster und die Handlungsebene zu entflechten, so dass notwendige Absprachen getrennt von den emotionalen Gegebenheiten getroffen werden können. Im notwendigen Mediations- oder Rechtsanwaltsgeschehen ist für die emotionale Ebene oft zusätzlich nicht ausreichend Zeit. Die verborgenen Emotionen funken jedoch oft hinein und wollen ebenso gehört werden. Innerhalb der Trennungsberatung biete ich hier in gemeinsamen und getrennten Sitzungen Raum für alle Aspekte.Und durch das Bewusstsein über die bisherige Beziehung können zukünftige Muster vermieden werden: auch ein lohnender Nebenaspekt.
Und um was geht es eigentlich bei einer Trennung?
DG: Eine gute Frage. Meistens geht es um mindestens ein gebrochenes Herz. Und es geht um Trauer und um Abschied von Hoffnungen, Bildern und Träumen, die man (gemeinsam) hatte. Und statt sich (auch) dem (an)gebrochenen Herzen zu widmen, werden Schuldige gesucht, wird um Kinder gestritten, aufgerechnet und kontrolliert. Dahinter steckt, den Schmerz und die Liebe nicht spüren zu wollen, deren Wucht und Macht.
Mit welchen Themen kommen Paare zu Ihnen, die trotzdem gerne zusammenbleiben möchten?
DG: Meistens geht es im Alltag um Haushalt, Geld, Erziehung der Kinder und auf anderer Ebene um Kommunikation, Vertrauen und Sexualität als Ebenen der Beziehung. Aber auch um kritische Lebensphasen miteinander zu meistern: nach einem Tod im nahen Umfeld, Rente, Kinder aus dem Haus oder andere Schwellensituationen. Oft auch nach einem Betrug. Günstig wäre eigentlich zuvor, szs. „statt“ eines Betrugs. Konflikte und Krisen sind ja Bestandteil menschlicher (Paar-)Beziehungen. Damit Konflikte und Krisen jedoch nicht dominieren, ist ein konstruktives und liebendes Miteinander das Ziel. Auch eine Beziehung muss sich nähren.
Um was geht es beim Aufrechterhalten der Beziehung eigentlich?
DG: Sehr oft um Bilder, Erwartungen, eigene blinde Flecken und oft völlig vergessen: zu lieben. Die Frage ist auch: gibt es in der Beziehung genug, woran sich beide Seelen nähren können? Was fehlt? Was muss entwickelt werden? Immer wieder stellen Paare erstaunt fest, wie viel sie trotz vieler Jahre, manchmal Jahrzehnte von Beziehung noch voneinander erfahren können, nicht von sich wussten etc.
Was ist Ihr methodischer Ansatz?
DG: Ich bin Tiefenpsychologin, daher beziehe ich mich in der Beratung nicht nur auf die reine Verhaltensebene, sondern auch auf die jeweilige Psyche der Beteiligten. Und ich unterscheide zwischen Beziehungs-Themen und individuellen Themen. Deshalb biete ich ggf. kombinierte Sitzungen an, gemeinsame und einzelne, um bei dem genügend Raum zu ermöglichen. Hier unterliege ich natürlich ebenfalls der absoluten Schweigepflicht.
Spielt Ihre eigene Einstellung eine Rolle?
DG: Ich habe mit Anfang 20 eine lange Eigentherapie absolviert, dies halte ich für eine wichtige Grundlage, um neutral bleiben zu können. Meine nunmehr 20 Jahre Praxiserfahrung sind begleitet von Supervision und ich unterliege freiwillig den Ethikrichtlinien meines Berufsverbandes.Dass ich eine Frau bin, spielt sicherlich eine Rolle, doch die Paare sind oft erstaunt, wie unterschiedlich ich mich auf die Frau und den Mann beziehen kann und beiden Welten gerecht werde. Es geht mir nicht darum, eigene Stellung oder Moral zu beziehen, sondern mich mit meiner Ethik und meinen Werten zur Verfügung zu stellen.
Sehen Sie Grenzen in der Behandlung?
DG: Ja, wenn ein Partner sich z.B. nicht davon abbringen lässt, dass sich doch nur der Andere ändern muss. Oder wenn ein Paar einen sich quälenden Zustand weiter pflegen möchte. Und es braucht die Bereitschaft, Gewalt oder Sucht, die z.T. Anfangsthemen sind, aufzugeben.
Gibt es Einschränkungen für die Paar- oder Trennungsberatung?
DG: Keine, die mir gerade einfallen. Für ins Ausland entsandte Expat-Paare biete ich Zoom-Sitzungen an. Zuvor wird geklärt, ob dies ein geeignetes Setting ist.Es erstaunt mich, dass homosexuelle Paare teilweise nachfragen, denn das macht für mich keinen Unterschied. Meine Praxis für Einzeltherapie ist gut durchmischt und die Umfelder von Homosexuellen sind mir daher vertraut. Und immer wieder kommt es auch vor, dass nur ein Partner zu mir kommt und wir in der Einzelarbeit stark an der Beziehung arbeiten.
Danke für das Gespräch.